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Jahresausstellung im Museum für Geschichte: Dein Graz!

Das Kabinett des Prof. Kubinzky. Foto: Langhans

Ende Februar beginnt die Jahresausstellung des Museums für Geschichte mit Teilen der riesigen Sammlung des Historikers Karl Albrecht Kubinzky. Dein Graz! erzählt die Geschichte der Stadt durch die „Augen des Alltags“.

Text: Lydia Bißmann

Die Jahresausstellung Dein Graz! im Museum für Geschichte zeigt den Werdegang der Stadt aus einer sehr besonderen und auch persönlichen Perspektive. Sie besteht aus Teilen der umfangreichen Sammlung von Karl Albrecht Kubinzky, der wie kein anderer die DNA der steirischen Landeshauptstadt sehr vielschichtig und auch aus dem Blickwinkel ihrer Bewohner erforscht hat. Jahrzehntelang sammelte er Postkarten, Fotoalben, Schnappschüsse, Gemälde, Landkarten und persönliche Gegenstände. Über 100.000 Artefakte spiegeln hier die Stadtgeschichte der letzten 150 Jahre wider. Im November 2018 schenkte er den Großteil seiner kulturgeschichtlichen Sammlung dem Universalmuseum Joanneum. Zurzeit wird dieses Riesen-Graz-Konvolut vom Team der Multimedialen Sammlungen erfasst und digitalisiert. Als erste daraus entstandene Ausstellung wird Dein Graz! ab dem 27. Februar einen auch intimen Streifzug durch die Grazer Geschichte bieten. Mitte des Jahres wird der leidenschaftliche Sammler und ehemalige Universitätsdozent auch seinen 80. Geburtstag feiern.

17 Mal Graz

Dein Graz! beginnt inhaltlich 300 Jahre vor Christi Geburt und spannt den Bogen bis in die Gegenwart mit teilweise noch nie gezeigten Objekten. Kuratiert von Gerhard M. Dienes (†) und Astrid Aschacher illustriert die Jahresausstellung bis Ende Jänner 2021 die Entwicklung und die Transformation der unterschiedlichen Stadtbezirke. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Stadt verändert, vergrößert und ausgeweitet. Dein Graz! bebildert den Werdegang der Vorstädte St. Leonhard, Gries, Geidorf, Jakomini und Lend – sie erzählt auch von der ehemaligen „Peripherie”, den erst 1938 eingemeindeten Vororten Liebenau, Andritz oder Straßgang. Begleitet werden die unzähligen Bilder und Dokumente von Figurinen von Erwin Schwentner und Hörstationen, die die Ausstellung mit den Stimmen von Ninja Reichert und Gerhard Balluch erweitern.

Graz von innen und von oben

Auch die Perspektiven werden gewechselt. So ist die Stadt hier auch aus der Luft zu sehen. Karl Albrecht Kubinzky ist selbst passionierter Ballonfahrer und hat diesen luftigen Ausblick in eigenen Fotos verewigt. Hier sieht man die Veränderungen der Stadt von oben, aber auch sehr gut, was nach wie vor geblieben ist. So wichtig, verheerend oder praktisch bauliche Veränderungen auch für eine Stadt sind – der Historiker ist trotzdem der Meinung, dass es die „Geschehnisse” sind, die Geschichte letzten Endes ausmachen. „Für die Nachkommen ist es nicht wichtig, welches Türmchen wann auf welchem Gebäude war – wichtig ist, was passiert und wie die Menschen damit umgehen”, ist der Professor überzeugt. Vieles hat sich zum Glück verändert, viele Themen dennoch nichts von ihrer Wichtigkeit und Aktualität verloren. Eine Gruppe von Menschen in Badekleidung in den 30er-Jahren etwa zeigt, was erst seit 20 Jahren wieder möglich ist. Das Schwimmen in der Mur. Eine Dame schaukelt in Schwarz-Weiß in Gösting in einem Lift den Plabutsch hoch und ein anderes Foto zeigt die Herrengasse, zugeparkt mit zugegeben wunderschönen Autos, wo heute Fußgänger flanieren. Themen, die die Grazer nach wie vor beschäftigen und beschäftigen werden. Geschichte passiert eben nicht nur in hohen Häusern, sie passiert auf der Straße und in den Herzen der Menschen, was sich in der Ausstellung durch Bildausschnitte und kurze Botschaften bemerkbar macht. Der Rückblick ist aufregend und regt zum Nach- und Vordenken an. Beim Posieren für die Schnappschüsse in ihrem Sonntagsstaat, beim Ablecken der Briefmarken für die Post an ihre Liebsten, dachten die Menschen an alles andere als an Geschichte oder den Lauf der Dinge.

Dem Sammler ist alles erlaubt

Angefangen hat Kubinzky mit dem Sammeln von Alltagsmomenten schon als junger Mann. Bereits als Maturant hat er damit begonnen, Fotos von Hochzeiten, Begräbnissen, Demonstrationen und Geburtstagsfeiern zusammenzutragen. Seine kostbaren Fundstücke hat er aufgestöbert, ersteigert und auch geklaut. „Dem Sammler ist alles erlaubt”, lautet seine Devise nach wie vor. „Es hat mich einfach interessiert – ich war schlecht in der Schule, aber in Geschichte war ich gut. Deswegen habe ich mich darauf spezialisiert.“ Um Geld für sein Geschichte- und Geografie-Studium zu verdienen, hat der spätere Universitätsprofessor auch als Fremdenführer gearbeitet. Das brachte ihm nicht nur die Stadt näher, es formte auch seine rhetorischen Fähigkeiten. Die Sammlung des renommierten Historikers gehört zu den umfassendsten privaten Dokumentationen von Graz. „Das Kabinett des Prof. Kubinzky ist eine Wunder- und Raritätenkammer. Historisch Relevantes findet sich neben Alltagsgeschichtlichem – kaum eine Sammlung ist so vielschichtig“, formuliert es Wolfgang Muchitsch, der wissenschaftliche Direktor des Joanneums. Und es gibt noch einen Aspekt, der sich bei der Betrachtung der Sammlung einschleicht. Kubinzkys ältestes Foto ist 150 Jahre alt. Noch nie wurde so viel fotografiert wie jetzt, aber die Frage ist, was von diesen Fotos in 150 Jahren in einem Museum auftauchen wird. Geparkt auf Servern im Irgendwo, entziehen sie sich ehrgeizigen und geschulten Argusaugen wie jenen des Sammlers Karl Albrecht Kubinzky, die sie für die Nachwelt retten könnten.     

Dein Graz! Die Sammlung Kubinzky am Joanneum

Museum für Geschichte, Sackstraße 16, 8010 Graz, Eröffnung: 27.2.2020, Laufzeit: bis 31.1.2021, kuratiert von Gerhard M. Dienes und Astrid Aschacher, Gestaltung: Gerhard Kübel, Info: 0316
8017 -9800

www.museumfürgeschichte.at