Der Kino-Dokumentarfilm „True Warriors“ erzählt die Geschichte einer Künstlergruppe aus Kabul, deren Theaterpremiere – ein Stück über Selbstmordanschläge – selbst zum Ziel eines Selbstmordanschlags wurde.
Text: Wolfgang Pauker
Kabul, die Hauptstadt Afghanistans am 11. Dezember 2014. Bei der Premiere eines Theaterstücks über Selbstmordanschläge sprengt sich ein 17 Jahre alter Junge in die Luft. Manche Zuschauer applaudieren – sie halten die Explosion für eine besonders realistische Inszenierung. Erst als Panik ausbricht, verstehen sie, was passiert ist … Der Dokumentarfilm True Warriors erzählt nun auf packende Weise die Geschichte der Schauspieler und Musiker, die an diesem Tag auf der Bühne standen. Sie wollten mit ihrem Stück über Selbstmordanschläge ein Zeichen setzen gegen den Terror, der ihre Gesellschaft zerfrisst. Jetzt sind sie selbst vor Angst gelähmt. Jemals wieder Theater spielen? Nicht vorstellbar. Als Musiker berühmt werden? Viel zu gefährlich. Weshalb manche der Überlebenden danach nach Europa flohen, um dem allgegenwärtigen Terror in ihrem Heimatland zu entkommen. Andere aber blieben in Kabul, und als der Schock der Gewalt sie ein zweites Mal trifft, entschieden die Künstler, sich mit aller Kraft ihrer Ohnmacht entgegenzustellen. Sie radikalisieren sich künstlerisch, zogen aus hochgesicherten Spielstätten auf die Straße, riskierten mehr, statt sich abzuschotten, und begannen so, ihr Trauma zu besiegen und für eine bessere Zukunft in ihrem gebeutelten Land zu kämpfen.
Die Macher hinter dem Film
Verantwortlich für das Werk, das die Betrachter in schockierte Begeisterung versetzt, sind Ronja von Wurmb-Seibel und Niklas Schenck. Beide haben 2013 und 2014 in Kabul gelebt und dort unter anderem zwei Filme für den NDR produziert – eine narrative Doku über eine Wohngemeinschaft junger Aktivistinnen und Aktivisten und eine investigative Recherche über tödliche Blindgänger, die die deutsche Bundeswehr und die NATO dort zurückgelassen haben. Doch auch alleine haben sich die beiden Macher intensiv mit dem Land an der Schnittstelle von Süd- zu Zentralasien beschäftigt. So hat von Wurmb-Seibel das Buch Ausgerechnet Kabul – 13 Geschichten vom Leben im Krieg veröffentlicht und Niklas Schenck war für den Film Geheimer Krieg (NDR/ARD) 2014 für den Grimme-Preis und für die Multimedia-Geschichte Love for my enemies für einen EMMY und einen National Magazine Award in den USA nominiert.
Der afghanische Regisseur Nasir Formuli, ebenfalls maßgeblich an der Produktion beteiligt, hat Theaterwissenschaften in Kabul studiert und sowohl die Sprechtheatergruppe Azdar als auch das Puppentheater Parwaz aufgebaut. Er kam schon 2014 zum Theaterforum nach Berlin und wunderte sich, warum ihn alle anflehten, nicht nach Kabul zurückzukehren. „Ich habe hier alles, was ich brauche – und ich kann etwas bewirken, ich habe eine Aufgabe!“, sagte er. Nach dem Anschlag aber änderte sich das: Formuli zog mit einem Stipendium für die Ernst-Busch-Akademie nach Berlin und studierte Puppenspiel. Koproduziert von den Machern von Hot Dog und You are Wanted und editiert von der für einen Oskar 2018 nominierten Julia Drache ist True Warriors ein Film, „den jeder gesehen haben muss, der sich auch nur minimal mit Afghanistan beschäftigt“, wie Alexey Yusopov, ehemaliger Büroleiter der FES in Kabul, sagt.

True Warriors: Dokumentarfilm (90‘) und Gespräch
Sonntag, 18. November, 11 Uhr im KIZ Royal, Conrad-v.-Hötzendorfstraße 10